- Katzen extra / Ausgabe Mai 1996 -

Wie heißt es doch so treffend: „Viele Wege führen nach Rom... " - mich mußte der Weg erst nach Hong Kong führen, um den Weg und die Liebe zu Katzen zu finden. Mein erstes eigenes Haustier war ein Zwergkaninchen, und das zweite Haustier, das ich mir mit meinem Partner „teilte", war ein Chow-Chow-Rüde in einer schönen Rotfarbe, der leider zu Freunden gegeben werden mußte, als ein be-

ruflich bedingter Umzug nach Hong Kong anstand. Fast wäre dies an meiner Sorge um den Hund gescheitert, aber drei Monate erfolgreiche Probezeit für Hund und dessen neue Menschen beruhigten mich, doch es tat sehr weh, ein liebes „Tier" abzugeben.

Worauf ich mich da als naturverbundene, etwas hektische Nord-Europäerin eingelassen hatte, wurde mir allzu schnell bewußt. Die meiste Zeit des Jahres waren Temperaturen um die 30 Grad (im Schatten!) ganz normal, und bei Luftfeuchtigkeiten um die 100 Prozent war jede kleine Anstrengung mit einem Schweißausbruch verbunden. Wir wohnten erst mal in einer Anlage mit fünf Wohnblöcken im 20. Stock; in diesen Blöcken wohnten übrigens circa 10 000 Menschen - das ist hier eine Kleinstadt. Zu allen klimatischen und überbevölkerten Problemen kam dazu, daß ich mit Ungeziefer-Invasionen konfrontiert wurde, die mir regelrechte Angst- und Ekelzustände bescherten. Übersah man in der Küche auch nur ein paar Krümel, hatte man prompt „Ameisenstraßen" durch die Wohnung - und diese Ameisen waren riesig! Was mich aber am meisten ekelte, waren die dicken fetten (fliegenden) Cockroaches (Kakerlaken), die aussahen wie überdimensionale Maikäfer. Hier half keine Sauberkeit im Haus, denn, wie gesagt, sie „flogen" ein. Von Freunden bekamen wir den hilfreichen Tip - schafft euch eine Katze an, dann habt ihr zwar noch immer einfliegende Cockroaches, aber wenn ihr sie findet, sind sie dann schon tot.

Also, eine Katze mußte her - aber woher? In der englischsprachigen Tageszeitung gab es auch eine Rubrik wie „Düt und dat", und dort wurde ich fündig: Ein Wurf von sechs „Ginger-Cats" - also Red-Tabbys wurde von einer englischen Familie inseriert. Mein Anruf dort war leider zu spät, denn der gesamte Wurf war schon vom Hong Konger Tierschutzverein mit Zustimmung der engl. Familie abgeholt worden. Man wollte damit vermeiden, daß die Katzen in chinesischen Kochtöpfen landen, denn das Gericht „Tiger, Phönix und Drachen" gilt dort als „Schmankerl", das sich einige reiche „Gourmets" nicht verleiden lassen. Für den Tiger kommt die Katze in den Kochtopf - sprich „Wok", für den Phönix wird ein frisches Huhn geschlachtet und für den Drachen wird Schlangenfleisch verwendet. Ich habe die chinesische Küche schätzen und kochen gelernt, aber Einladungen zu dieser Art von Spezialitäten, auch von Hundefleisch, konnten wir immer umgehen, ohne den Einladenden zu beleidigen.

Zurück zur Katzensuche - die Ginger-Cats waren also beim Hong-Konger Tierschutzverein, und als ich anrief, waren noch vier Katzen zu haben. Mit viel Herzklopfen fuhr ich per Taxi zum Tierschutzverein, wo mich vier kleine rote Teufelchen regelrecht „anmachten" - sie wollten raus! Aber nur eine der kleinen wich nicht zurück, als ich mit der Hand in den Käfig langte. Nun wußte ich durch meine „Hundeerfahrung", daß dies die frechsten und sichersten Tiere sind, die keine Scheu zeigen. So fiel mir die Wahl leicht, und schon war ich Besitzerin einer ersten kleinen Katze. Auf nach Hause, mit einem ungläubig schauenden Taxi-Fahrer, der wieder mal so ein verrücktes „Rundauge" transportieren mußte, die noch dazu laufend mit ih-

rer Katze redete. Zu Hause lief die „Rote" erstmal alle Räume ab und machte sich gleich, als hätte sie tagelang nichts zu fressen bekommen, über die kleinen sardinenartigen rohen Fische her, die ich ihr eigentlich mundgerecht schneiden wollte. Diesen Appetit auf Fisch haben übrigens alle meine Katzen, aber das liegt wohl auch daran, daß ich selbst gerne Fisch und Shrimps und solch leckere Sachen esse. Nun mußte die kleine Rote aber einen Namen haben! Ich hätte sie gerne “Ginger" gerufen, doch mein mir Angetrauter, der keinen Ingwer mag, meinte dazu, daß der gerade eingeschenkte Whisky die gleiche Farbe wie das Kätzchen habe, und so wurde sie „Whisky" getauft, und sie lernte ganz schnell, auf die diversen Ruflautnuancen zu achten. Gerne unterhielt sie sich mit uns, vor allem, wenn sie etwas erreichen wollte oder wenn sie „sauer" war. Ihre Stimmungspalette, sprich ihr Miauen, variierte von wütend bis fordernd, zufrieden oder warnend oder gar belustigt. Ich hab so manchen Rüffel von ihr miaut bekommen, der immer anfing mit: „Also, Evelin... !"

Dezember 1974 - “Whisky” und ihre Spielgefährtin, Hündin “Spot”

Wie schon gesagt, ich hatte bisher sogenannte „Hundeerfahrung", und „Whisky" wurde behandelt wie ein Hund. Sie ging bei Fuß, wurde mitgenommen zum Swimmingpool, zum Kinderspielplatz, wo sie mit Vorliebe Karussell fuhr, auf das begehbare Dach des 20stöckigen Hauses, wo sie im Freien Cockroaches nach Herzenslust fangen konnte, sie jagte durch die ganze Wohnung, und ich hatte endlich keine Plage mehr mit lebendem fliegendem Ungeziefer.

„Whisky" war ungefähr vier Monate alt, als wir etwas Unerklärliches feststellten und sehr erschrocken waren - sie lag auf dem Sofa und fraß die Ecken von Kissen regelrecht ab; sie mußte krank sein! Nun wußten wir auch, wer in meine schönen, weichen Kaschmirpullover die Löcher fabriziert hatte. Und wir hatten schon an Mäuse in der Wohnung geglaubt - und das, wo doch eine Katze im Haus war! Natürlich war ich gleich am nächsten Tag im Tierheim, wo ein sehr erfahrener englischer Tierarzt ehrenamtlich Dienst tat. Der hörte sich meine aufgeregte Erzählung schmunzelnd an, schaute „Whisky" ins Maul und meinte dann in seiner unübertroffenen trockenen englischen Art dazu: „Ja, ja, Ihre Katze ist ein „Wollfresser", dies gibt es bei Katzen, es ist absolut nichts Schlimmes, aber statistisch gesehen gibt es davon nur eine unter tausend. " Worauf ich zu ihm und zu meiner Beruhigung nur sagen konnte: „Na und, was soll's. Sie darf ruhig Wolle fressen, mein Mann arbeitet schließlich in der Textilbranche. " Der Spaß und die Freude mit dieser frechen Roten war einmalig, sie hatte wirklich Charakter und war auf ihre Art auch ein bißchen verrückt, aber das sind die meisten roten Katzen, wie ich heute weiß.

“Prinzessin auf der Erbse” - “Whisky” und ihre Monatsleistung von abgefressenen Kissenecken; leider starb sie auch an dieser “Marotte”

Dezember 1974 - “Whisky” und Hündin “Spot” - unter einer Decke.

Als wir einen Hund zu ihr dazunahmen, der natürlich öfters und ohne sie ausgeführt wurde, rächte sie sich z. B. dadurch, daß sie auf die Morgenzeitung pischte, sobald diese durch den Briefkastenschlitz in die Wohnung fiel. „Whisky" erzog auch den Familiennachwuchs, die junge Hündin „Spot", die ihr ganzes Leben lang in sehr vielen Situationen typisches Katzenverhalten zeigte. „Whisky" erzog uns übrigens zur absoluten Ordnung, denn ließen wir nur ein Kleiderstück liegen, hatte dies mit 100prozentiger Sicherheit irgendwo ein schönes rundes Loch. Unsere Bettwäsche versah ich jede Woche mit neuen Patchworkflicken, die Ecken der Sofakissen nähte ich nach dem Abkauen durch „Whisky" jeweils rund, und wenn dann diese „runden Ecken" auch wieder durchgekaut waren, war es an der Zeit, neue Kissenbezüge zu nähen, doch da mein Partner ja in der Textilbranche arbeitete, war Stoffnachschub kein Problem.

Unsere kleine beherzte „Teufelin" schaffte es immer wieder, sich die Aufmerksamkeit zu holen, die sie wollte, aber mit untrüglichem Instinkt erkannte sie alle, die nur uns zuliebe sozusagen Katzenliebe vortäuschten - dann reagierte sie „gnadenlos" und biß in die Hand, die sie (zaghaft) streicheln wollte. Viele kleine und größere „Katastrophen" spürte sie im voraus und warnte uns z. B. durch Knurren und Kampfstellung-Einnehmen vor Schlangen im Garten, Ratten im Abflußloch in der Küche und vor Einbrechern und nahenden Unwettern, wie z. B. Taifunen, die auch in Hong Kong gefährliche Formen annahmen. Wenn einer der alten Freunde aus der Hong Konger Zeit heute erzählt, so ist „Whisky" mit ein Hauptthema, und er lacht schon von vornherein, wenn er sich daran erinnert, wie einer der Freunde, die regelmäßig zum Kartenspielen kamen, plötzlich „aus den Latschen kippte", weil Whisky, in aller Stille unter dem Tisch sitzend, die Schnürsenkel seiner Schuhe abgefressen hatte. Nach Ablauf der Hong Konger „Dienstzeit" flog „Whisky" mit uns, Katze „Georgie" (von der natürlich noch berichtet wird) und Hündin „Spot" nach Deutschland. „Whisky" wurde leider nur knapp zwölf Jahre alt, sie starb 1986 an den Folgen ihres Wollfressens, denn die Farbstoffe in den Textilien hatten zum Magenkrebs geführt: hier half keine Therapie. Sie war meine erste Katze und hat den „Grundstein" dafür gelegt, daß ich mir ein Leben ohne Katzen nicht mehr vorstellen kann - und natürlich gehört seitdem hier im Haus immer eine (verrückte) „Rote" dazu, die ihre Gespräche mit mir anfängt mit: „Also, Evelin... "

“Whisky” zur Statue erstarrt, stundenlang konnte sie so an einer warmen Stelle sitzen.