- Schweizer Katzenmagazin / Ausgabe Juni/Juli 1999 -

Fast alle Katzenbesitzer/innen, egal ob sie Katzen züchten oder nicht, haben eines Tages ein Problem mit einer „rolligen" Kätzin oder einem Kater, der sein Revier markiert. Bei Katzenfreunden, die nicht züchten, steht dann meist der Gang zur Tierärztin oder zum Tierarzt mit der meist gut einjährigen Katze oder dem Kater an, um sie kastrieren zu lassen. Und genau wie beim Menschen ist eine Operation zum „Unfruchtbarmachen" bei den männlichen Spezies eine „kleine Sache", aber bei den weiblichen ist es eine grössere Operation, ein Eingriff in den gynäkologischen Bereich, den Gebärraum.

Die Vorteile der Kastration liegen auf der Hand. Die Kater, sofern sie Freilauf hatten, sind nicht mehr so lange auf der Pirsch, sie werden häuslicher. Die Kätzinnen werden ausgeglichener, da die „Hor-monschübe", bedingt durch die „Rolligkeiten", ausbleiben („Rolligkeit" ist übrigens die volkstümliche Bezeichnung der Brunst bei der Katze). Ich habe es bisher noch nicht erlebt, dass sich Katzen durch die Kastration wesentlich verändert haben. Die einzig eventuell sichtbare, spürbare Veränderung ist, dass die Katzen und Kater ruhiger, ausgeglichener werden können. Aber dies ist sicher auch rassebedingt und hängt von vielen sonstigen Lebensumständen und dem Umfeld der Katzen ab.

Ich rate allen, mit der Kastration so lange zu warten, bis die Tiere gut entwickelt sind. Bei Kätzinnen sollte man die erste Rolligkeit vergehen lassen, bis man den Eingriff vornehmen lässt, bei Katern ist es gut, wenn man mindestens bis zum 9. Lebensmonat warten kann. Aber viele Katerbesitzer/innen haben Angst, dass ihr Kater im Haus „markiert", obwohl der strenge Geruch des Urins meist aus dem Katzenklo kommt, und da hilft erst mal eine mehrmals tägliche Katzentoiletten-Reinigung. In den USA werden von Tierschützern oft ganze Katzenstämme mit vielen jungen, halbwilden Katzen bereits im Alter von 8-12 Wochen eingefangen und kastriert. Man will damit einer unerwünschten Katzenpopulation zuvorkommen. Allerdings müssen sich diese kleinen Kätzchen einer sehr aufwändigen Narkose unterziehen, denn die Narkosemittel, die injiziert werden, bauen sich über das Körperfett ab, und da von haben so kleine Wesen ja noch fast nichts am Leibe. Ausserdem besteht bei sehr jungen Katzen durch die Narkose eine erhöhte Gefahr der Unterkühlung sowie eine lebensgefährliche Herabsetzung des Blutzuckers, was dann durch Glucosemangel im Gehirn einen vielseitigen Symptomenkomplex auslösen kann. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb man unter „normalen Umständen" Kater und Katzen erst kastrieren lassen sollte, wenn sie sozusagen „ausgereift" sind.

Als meine erste Katze vor über 20 Jahren kastriert wurde, war noch eine total andere Operationstechnik üblich. Es wurde ein ziemlich grosser Schnitt seitlich an der Hinterflanke der Katze gemacht. Ich erinnere mich noch heute gut daran, wie entsetzt ich war, als sich bei meiner „Georgie" an diesem Schnitt auch noch ein Abszess entwickelte. Aber nicht nur die „Schnitt-Technik" hat sich weiterentwickelt, sondern auch vieles, was mit dem Operationsumfeld zusammenhängt. Eines hat sich allerdings nicht geändert: Für die Nähte im „Inneren", bevor also die Oberhaut-Naht gemacht wird, wird immer noch „Catgut" verwendet, aber dies ist kein Katzendarm, sondern ein Nähfaden, der aus der Muskelschicht des Schafsdünndarms hergestellt wird.

Das OP-Feld ist abgedeckt und desinfi- ziert.

Der Hoden wied abgeschnitten.

Schnitt in den Hoden.

Nochmaliges Prüfen, ob der Faden hält...

Der herausgezogene und abgeklemm- te Hoden wird mit Catgut abgebunden.

... und das Schnittende gleitet in den leeren Hodensack zurück, hier in den rechten - der linke Hoden ist schon entfernt.

Wie gesagt, beim Kater ist der Eingriff ins Geschlechtsleben eigentlich eine Kleinigkeit. Er wird nach dem Betäuben rund um die Hodensäckchen geschoren, dann wird dieser Bereich mit sterilem Tuch abgedeckt und desinfiziert. Als Nächstes erfolgt ein kleiner Schnitt in den Hodensack, dann wird der Hoden herausgezogen und das Schnittende am Samenleiter mit Catgut fest abgebunden. Der Hoden wird abgeschnitten, es wird kontrolliert, ob noch eine Nachblutung erfolgt, und wenn dies nicht der Fall ist, wird der Catgut-Faden abgeschnitten.
Dann wird noch ein Antibiotikum in den Hodensack gegeben (meist Ampicillin), und das Schnittende mit dem kurzen Catgut-Faden, das durch das Herausziehen unter Spannung stand, gleitet in den jetzt leeren Hodensack zurück. Nach dieser Prozedur kommt der zweite Hoden dran, wobei es wohl egal ist, ob mit dem linken oder rechten Hoden begonnen wird. Der Hodensack muss nicht vernäht werden, der kleine Hautschnitt heilt ohne Probleme zu. Allerdings sollte der „Ex-Kater" für ein bis zwei Tage im Haus gehalten werden, damit kein Schmutz in den jetzt leeren Säckchen-Raum kommt. Das Bemerkenswerteste nach der Kastration von Katern ist eigentlich, dass sie am gleichen Tag, ein paar Stunden danach, schon wieder rumspringen, als sei nichts gewesen. Das Einzige, was sie stören kann, ist der fremde Geruch durch die Operation, aber diesen vertreiben sie durch besonders intensives Putzen ihres Fells und besonders der betroffenen Körperregion.

Schnitt entlang der Linea alba.

Abklemmen unten - links ist deutlich eine Zyste zu sehen.

Oben abbinden mit Catgut.

Nähen der Unterhaut.

Erweitern des Schnittes und Klemme setzen.

Abklemmen oben.

Abschneiden.

Nähen und Schliessen der Oberhaut.

Mit dem Kastrationshaken wird der Eierstock herausgezogen.

Unten abbinden mit Catgut.

Schnittenden gehen in den Bauchraum zurück.

Eine wesentlich aufwändigere Operation ist die Kastration der Kätzin. Nach der Betäubung wird der Bauchbereich geschoren, die Katze auf den Rücken gelegt und an allen vier Pfoten angebunden. Das OP-Feld wird steril gemacht und abgedeckt. Dann erfolgt ein Schnitt von ca. 1 bis 1, 5 cm auf der Mitte der Bauchhaut, angesetzt beim Nabel auf der Linea alba (der weissen Linie). Auf der Linea alba trifft die gesamte Bauchmuskulatur im unteren Bereich zusammen. Sie besteht nur aus Bindegewebe und weist keine Blutgefässe auf. Ich war übrigens fasziniert, als ich feststellte, dass hier sozusagen kein Blut „floss". Aber als ich dies aussprach, musste ich mir auch den Kommentar des Tierarztes gefallen lassen, der so richtig norddeutsch-trocken dazu meinte, bei guten Chirurgen fliesse bei der Operation eben kein Blut.

Nach dem Skalpellschnitt entlang der Linea alba wird dieser eh was erweitert und mit dem Kastrationshaken wird der Eierstock mit einem Teil des Gebärmutterhorns herausgenommen. Dann wird der Eierstock und ein Teil des Mutterhorns abgeklemmt und jedes Ende oben und unten mit Catgut abgebunden. Wenn der Faden fest sitzt, wird der Eierstock abgeschnitten. Nach der Kontrolle wegen evtl. Nachblutens und falls keine Blutung vorliegt, darf der Rest wieder in den Bauchraum zurück. Danach erfolgt die gleiche Prozedur mit dem zweiten Eierstock.

Der Bauchraum wird mit Catgut zugenäht - die Linea alba und die Unterhaut-, dann die Oberhaut-Schicht, wobei hier ein Vicrytfbden mit Einzelheftung verwendet wird, der wie eine Wundklammer wirkt und sich selbst auflöst. Zum Thema Wundklammern hatte mein Tierarzt übrigens eine fantastische, aber wahre Geschichte parat: Wundklammern, die heute aus nicht rostendem Stahl sind und als „Einwegartikel" eingesetzt werden, reichen zurück bis in die vorchristliche Zeit. Der indische Arzt Sus-ruta erwähnte bereits 600 v. Chr. das Klammern von Darm- und Hautwunden mit grossen Ameisen. Der Kopf der Ameisen wurde an das Wundgebiet herangeführt, dann liess man die Tiere zu-beissen und trennte dann blitzschnell den Ameisenkopf von deren Körper. Der Kopf der Ameisen mit den Zangen verblieb dann auf der Wunde, fixierte die Wundränder und unterstützte die Wundheilungsphase.

Ca. 3-4 Tage braucht eine Kätzin wenigstens nach der Operation, um wieder ganz die alte zu sein, und man merkt ihr an, dass Springen und Strecken wehtun. Es tut ihr gut, wenn man sie von anderen Haustieren erst einmal trennen kann, bis sie wieder total fit ist, und eine besonders liebevolle Betreuung sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Eine Operation in der Tierklinik gleicht in den Vorbereitungen der in jedem normalen Krankenhaus: sterile Tücher, Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe für den Operateur, Mundschutz, sterile Instrumente und Tücher zum Abdecken des Operationsumfeldes, wobei hier das Wort „steril" bedeutet, dass die Instrumente keimfrei gemacht werden.

Egal ob Katze oder Kater, beide werden vor der Operation betäubt, wobei eine Mischung aus Ketamin und Aceproma-zin schonend für die Tiere ist. Nach ca. 1 '/2 bis 2 Stunden sind sie schon wieder wach. Gleich nach der Betäubung wird den Tieren Augensalbe in die Augen gegeben, da der Lidreflex durch die Betäubung verzögert, die Lidflüssigkeit also verringert wird. Mit der Gabe von Augensalbe wird so ein Austrocknen verhindert.

Eine weitere Vorsorge, die alle verantwortungsvollen Tierärztinnen und Tierärzte anbieten sollten, ist die Kontrolle auf Zahnstein und dessen Entfernung nach der Operation, wenn das Tier noch in Narkose liegt, sowie eine Kontrolle des Ohrraums und eine Überprüfung, ob Flohbefall vorliegt.

Bei der von mir fotografierten Operation hatte ich sozusagen besonderes Glück, weil ich gleichzeitig etwas sehen konnte, was ab und zu vorkommt - nämlich dass die Katze an den Eierstöcken Zysten hat. Dies kommt sogar bei jungen Katzen vor (die operierte Katze war gerade einjährig). Wenn man bei der Entfernung der Eierstöcke diese Zysten nicht sieht oder sie beim Herausziehen der Eierstöcke mit dem Kastrationshaken perforiert, dann ist es möglich, dass Teile des Eierstocks abreissen, was bewirken kann, dass die Katze trotz Kastration wieder „rollig" wird, allerdings ohne fruchtbar zu sein.

Und was alle, die ihre Katze oder ihren Kater kastrieren lassen, wissen sollten, um vor Überraschungen geschützt zu sein, ist, dass es zirka 4 bis 6 Wochen dauert, bis sich der Hormonhaushalt von Katze und Kater total umgestellt hat. Es ist schon oft vorgekommen, dass kastrierte Kater noch gedeckt haben und diese Deckungen erfolgreich waren, weil noch Spermien im System der Samenleiter sein können. Auch Kätzinnen können noch 4-6 Wochen nach der Operation aufnehmen. Aber solche Befruchtungen sind nicht lebensfähig, die Embryos „gehen ab". Also halten Sie besser Ihre kastrierte Katze oder den Kater „unter Verschluss", wenn Sie sicher sein wollen, dass sich kein ungewollter Nachwuchs einstellt. Sonst war diese Kastration sozusagen erst einmal „für die Katz"!

PS: Für die medizinische Fachberatung bedanke ich mich herzlich bei Dr. med. vet. Kai Puymann.