- Schweizer Katzenmagazin / Ausgabe Oktober/November 1999 -

Ich erinnere mich noch sehr gut an den Schreck, den ich vor über 20 Jahren bekam, als Whisky, meine erste Katze, vor mir auf dem Fussboden sass, mit einem lauten Schrei anfing zu würgen und damit gar nicht mehr aufhören wollte. Endlich gelang es ihr herauszuspucken, was sie quälte. Nun ist man ja eigentlich geneigt, solch etwas Unappetitliches schnell zu beseitigen, ohne lange Untersuchungen anzustellen, doch meine Neugier siegte: Siehe da, es war etwas, das wie ein kleiner fester Ball aussah, es war ein Haarballen - all die Haare fest zusammengepresst, welche die Katze beim Putzen und Lecken heruntergeschluckt hatte. Mit diesem Haarballen kamen ausserdem kleine Grasstücke raus, und das war für mich der “Aha-Effekt”, denn ich hatte mich doch gewundert, warum mein Kätzchen ab und zu im Garten Gras frass. Es gibt zwar einen alten Spruch, der besagt: “Wenn Katzen Gras fressen, gibt es Regen”, aber auf regen konnte man sich in dem Teil der Welt, in dem ich mich damals befand, nicht unbedingt verlassen - er kam zu anderen Zeiten, als meine Katze Gras knabberte ... Noch heute wundere ich mich darüber, welcher Zusammenhang wohl zwischen Gras fressenden Katzen und Regen bestehen könnte.

Katzen, die Freilauf haben, bedienen sich jederzeit, wenn ihnen sozusagen etwas quer sitzt, draussen am frischen Grün, wie Hunde übrigens auch. Die Grünfaser-Stoffe wirken wie ein mildes Abführ- bzw. Transportmittel für den Mageninhalt, besonders wenn sich in Darm und Magen festere, härtere Stoffe befinden, wie Haare oder Knochenstücke, die eine Reizung bewirken. Gerne wird übrigens an Quecke geknabbert, deren weisse Wurzelstücke von Hobbygärtnern allerdings gehasst werden, weil sie sich so schnell verbreiten. Die Quecke enthält viele mineralische Stoffe, vor allem Kieselsäure und Eisen, sowie Schleimstoffe, Kohlenhydrate und Zucker. Wenn Sie dieses Gras selbst mal probieren, vor allem wenn es noch jung in den Trieben ist, werden Sie feststellen, dass es gut schmeckt. Hier zeigt sich wieder einmal der untrügliche Instinkt unserer Tiere dafür, was ihnen hilft. Ausserdem werden die Katzen, die draussen Mäuse fangen und sie fressen, zusätzlich mit Grünfaser-Stoffen versorgt, die sich im Mageninhalt der Mäuse befinden - also noch ein zusätzlicher Magen-Reinigungseffekt für die Katze.

Leider können Haarballen im Katzendarm und -magen aber auch zu regelrechten Notfällen und sogar Todesfällen führen, wenn nicht erkannt wird, was der Katze fehlt. Natürlich kann Erbrechen und Würgen auch andere Ursachen haben ( z. B. Wurmbefall), aber wenn die Katze mehrere Tage nicht frisst, schwer atmet und immer wieder würgt, könnten Haarballen die Ursache dafür sein. Um sicher zu gehen und die Ursache abzuklären, sollte auf jeden Fall die Tierärztin bzw. der Tierarzt konsultiert werden!

Mit Ultraschall oder Röntgen lassen sich Verdachtsdiagnosen von Haarballen abklären, aber hier hilft zur genauen Diagnose dann nur eine Endoskopie unter Narkose (ein Endoskop ist ein Spiegelinstrument zur Untersuchung  von  Körperinnenräumen). Bei positivem Befund muss ein fest sitzender Haarballen, der schon Probleme verursacht hat und eben nicht von der Katze  herausgewürgt  werden konnte, oft operativ entfernt werden, um einen Magen- oder Darmverschluss zu vermeiden. Wenn man bzw. Katze Glück hat, lassen sich Haarballen bei der Endoskopie ohne Operation entfernen.

Mein erstes, eingangs geschildertes Erlebnis mit Whisky gab ich damals bei Freunden „zum Besten", denen ich die kleine Katze verdankte und die sehr erfahrene Katzen-Menschen waren. Sie rieten mir, immer einen Blumentopf mit Gras im Haus zu haben, damit die Katze sich jederzeit davon bedienen könne, wie sie es im Freien tun würde. Diesen Tipp befolge ich nun seit vielen Jahren.

Solange im Garten frisches Gras wächst, nehme ich es von dort und pflanze es samt den Wurzeln in einen Blumentopf. Aber wenn die kältere Jahreszeit beginnt, und die ist bei uns ja leider lang, sorge ich für frisches Grün für meine Katzen, indem ich z. B. Spriesshafer (im Reformhaus gekauft) in Blumenerde aussäe. Die Blumentöpfe werden mit Folie bedeckt, die Folie mit einigen Löchern versehen, das Ganze leicht feucht gehalten und 2-3 Tage an einen wärmeren, hellen Platz zum Keimen gestellt. Nach ca. 4-5 Tagen zeigen sich die ersten grünen Spitzen, nach ungefähr 8 Tagen schiebt das „Gras" die Folie hoch und diese kann abgenommen werden. Wenn Sie in der Nähe eines Pferdestalls wohnen, ist es ein Leichtes, dort um ein paar Handvoll Pferdefutter (Getreide) zu bitten und dieses dann als Saat zu nehmen. Übrigens reicht eine Packung des gekauften Spriesshafers mehr als ein Jahr, denn Sie brauchen ja zum Ziehen des Grünfutters nur ein paar Körner für einen Topf.

Nach 10 bis 14 Tagen wird dann die nächste Saat „angesetzt", damit das Büsi wieder frische Spitzen knabbern kann. Sie investieren nur ein paar Rappen für die Gesundheit Ihrer Katze und ein kleines bisschen Arbeit - aber das ist sie Ihnen ja wert. Ausserdem gibt es einen zusätzlichen erfreulichen Effekt: Ihre Katze hat keine Lust mehr, sich an den anderen Grünpflanzen im Haus zu vergreifen, wenn ihr jederzeit Gras zur Verfügung steht. Die Grastöpfe sollten Sie auf den Boden stellen (giessen nicht vergessen), und wenn Sie es ganz gut mit Ihrer Katze meinen, dann findet sie in jedem Zimmer ein kleines Stück „Wiesenersatz". Dem können Sie noch die Krönung aufsetzen, indem sie einen Balkon haben, auf dem ein richtig grosser Pflanzbehälter mit Gras seinen Katzen-Stammplatz hat.